Kapitalanlagerecht

Das Geldvermögen der deutschen Privathaushalte hat sich allein seit 1980 von knapp zwei Billionen Euro auf über 4,5 Billionen Euro entwickelt. Gleichzeitig wächst der Bedarf an sicheren Geldanlagen zu Zwecken der Altersvorsorge nicht zuletzt wegen der schwierigen Lage der gesetzlichen Altersrente an (Absenkung des Nettorentenniveaus). Zudem liegt die volkswirtschaftliche Sparquote nach wie vor bei über zehn Prozent.

Zahlreiche Banken haben in den vergangenen Jahren immer komplexere Finanzprodukte entwickelt. Neu war dabei seit den ausgehenden neunziger Jahren, dass diese Produkte – wenigstens in Deutschland – auch im Retail-Banking, also im Privatkundengeschäft, vertrieben wurden. Dabei waren die Vertriebsbedingungen zumeist so gestaltet, dass offene und/oder verdeckte Provisionen in unterschiedlichen Formen an die Vertriebsbanken gezahlt wurden (sog. Kick-Backs). Welche Bedeutung die Vertriebsprovisionen wirtschaftlich für einige Banken erreicht haben, wird aus einigen Geschäftsberichten ersichtlich. Mit der eigenständigen Bewertung solcher Produkte waren viele Bankkunden bzw. Anleger überfordert. Empirische Untersuchungen haben mehrfach bestätigt, dass die „Financial literacy“ der Bevölkerung diese kaum in die Lage versetzt, Anlageentscheidungen über komplexe Finanzprodukte sinnvoll zu treffen. Die englische Wikipedia definiert diese Kompetenz in finanziellen Angelegenheiten so:

„Financial literacy is the ability to understand finance. More specifically, it refers to an individual’s ability to make informed judgements and effective decisions about the use and management of their money.” (Quelle: Wikipedia)

Angesichts solch komplexer Produkte wie den COBOLD-Anleihen der DZ-Bank verwundert diese Überforderung allerdings kaum. Bei diesen Anlagen hat es sich beispielsweise um sog. Strukturierte Bonitätsanleihen gehandelt, die das Insolvenzrisiko von bis zu fünf internationalen Banken verbrieft haben.

Stattdessen werden Anlageentscheidungen regelmäßig auf das Vertrauen in die Angaben und Empfehlungen des Anlageberaters getroffen. Die 2007 erschienene - sehr lesenswerte - Untersuchung „Anlageberatung und Qualität – ein Widerspruch? Zur Utopie qualitativ hochwertiger Anlageberatung im Retail Banking“ von Daniel Kohlert hat insoweit Ernüchterndes zu Tage gefördert. Seit einigen Jahren bemühen sich deutsche Gerichte verstärkt, Kriterien für die anleger- und objektgerechte Anlageberatung gerade auch im Retail-Banking herauszuarbeiten. Dabei wird bereits jetzt erkennbar, dass eigenen Provisionsinteressen der Vertriebsbanken ebenso wie erhöhten Aufklärungspflichten in Fällen der Umschichtung eines Depots eine erhebliche Rolle bei der Beantwortung der Frage spielen, ob von einer schadenersatzbegründenden fehlerhaften Anlageberatung ausgegangen werden kann. In geeigneten Fällen lassen sich Schadenersatzansprüche geschädigter Anleger wegen fehlerhafter Anlageberatung mit guter Aussicht auf Erfolg gegen Banken und sonstige Finanzdienstleister durchsetzen. Entscheidend bleiben jedoch immer der konkrete Einzelfall und die sorgfältige Herausarbeitung des Sachverhalts. Trotz einiger Lichtblicke besteht im Kapitalanlagerecht jedenfalls kein Anlass zu unkritischer Euphorie.